Alles. Aus einer Hand.
Als europäisches Mutterhaus, eines von deutschen Franziskanerinnen in Amerika gegründeten Konvents, wurde das Kloster Erlenbad bis 1926 in Sasbach erbaut. Anlässlich des geplanten Verkaufs und der damit einhergehenden Umnutzung wurden wir mit der bauhistorischen Untersuchung des Klosters und Erfassung der noch vorhandenen bauzeitlichen Ausstattung in einem Befundkatalog beauftragt.
Als Grundlage für mögliche Umnutzungsansätze dient die bauhistorische Untersuchung und der Befundkatalog der bauzeitlichen Objekte. Bauhistorische Erkenntnisse ließen sich vor Ort am vorgefundenen Bestand gut ablesen. Eine Archiv- und Literaturrecherche, sowie die restauratorische Befundung durch Dr. Julia Feldtkeller dienen der Ergänzung und Validierung von Veränderungen am Bauwerk.
Hofansicht, Blickrichtung Südosten.
Das Kloster stellt sich als annähernd quadratische Vierflügelanlage mit vier nahezu gleich großen Flügeln, die einen in der Mitte der Anlage liegenden geometrischen Innenhof umschreiben, dar. Der Nord-Ostflügel beinhaltet die Kirche und Anbetungskapelle; Süd-Ostflügel, Süd-Westflügel und Nord-Westflügel sind in ihrer Grundstruktur ähnlich gestaltet und beinhalten alle klösterlich-weltlichen Belange. Je nach funktionaler Nutzung der Räumlichkeiten im Inneren, reagiert die Kubatur der Fassaden und des Daches mit Vorlagen, Risaliten, Loggien und Balkonen.
Die weitläufigen Außenanlagen des Klosters sind integraler Bestandteil von Repräsentations- und Nutzungszwecken. Eine leicht terrassierte Gartenanlage mit neobarocken Gestaltungselementen leitet von der Straße zum repräsentativen Süd-Ostflügel mit dem Hauptzugang des Mutterhauses über. Rückseitig befindet sich der klostereigene Friedhof mit einem Kapellenbau von 1957.
Außenansicht des Kirchenflügels mit ausladender Fassadengestaltung.
Das Kloster wurde in den Jahren 1924 bis 1926 errichtet. Der Kirchenraum wurde auf Grund mangelnder finanzieller Mittel als Provisorium ausgestattet. Mit der Nutzung als deutsche Heimschule 1943 während des Zweiten Weltkriegs fanden erste Änderungsmaßnahmen in der Binnenstruktur des Klosters statt. Der Ausbau der Kirche wurde in den Jahren 1959-1960 fortgesetzt. Die Neugestaltung verdrängte die neobarocken Erscheinungsformen und spiegelte die liturgische Haltung der Kirche der Nachkriegszeit wider. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts fanden weitere Sanierungsmaßnahmen auf Grund der Nutzungsanpassung u.a. als Pflegestation im Kloster statt. Zudem wurde die Binnenstruktur der Schlafsäle in Einzelparzellen unterteilt. Im Jahr 1980 wurde die Kirche abermals saniert, wohl um sie den liturgischen Vorgaben des zweiten Vatikanischen Konzils anzugleichen. Bis zuletzt fanden technische und altersgerechte Sanierungen für die Nutzung des Klosters für die Schwestern statt.
Innenansicht der Kirche mit Blick in den modernisierten Chorbereich.
Gemeinschaftsraum Erdgeschoss, erbauungszeitliche Fenster, Türen, Bodenbelag und Stuck.
Innensicht Erdgeschoss Eingangsbereich mit reicher Ausgestaltung der Raumschale.
Innenansicht Erschließungsflur, erbauungszeitliche Fenster, Türen, Bodenbelag und Stuck.
Die Erfassung erbauungszeitlicher Ausstattung im Bauteilkatalog zeigt deutlich, in welchem Umfang sich die Ausstattung der Profanflügel erhalten hat. Reichhaltiger Stuck, wandfeste Ausstattung, Türen und Fenster, Bodenbeläge sowie eine Vielzahl an unbeweglichen Ausstattungsgegenstände können der Erbauungszeit des Klosters zugeordnet werden. Die haustechnische Ausstattung wurde mehrfach modernisiert, die ursprünglichen Strukturen blieben jedoch weitgehend erhalten. Somit ist die Bedeutung der bauzeitlichen Ausstattung der klösterlich-weltlichen Belange von höherer Befunddichte und Relevanz als die Ausstattung und Oberflächen der sakralen Architekturen und Räume.
Hausbrunnenanlage mit figürlichen Details.
Durch restauratorische Befundung durch Dr. Julia Feldtkeller an den Farbfassungen der Wände und wandfester Ausstattung konnte ein farbig kodiertes Leitsystem innerhalb des Klosters nachgewiesen werden. Jedes Geschoss war durch eine differenzierte farbliche Gestaltung in den Fluren kenntlich gemacht und diente der erleichternden Orientierung innerhalb des Bauwerks. Zudem besitzt jeder Raum – bis heute tradiert – eine Bezeichnung mit Namen eines:einer Heiligem:n, welcher Aufschluss über die Nutzung der jeweiligen Räume gibt.
Speisesaal Erdgeschoss mit Flügeltüren, welche alle drei Speisesäle miteinander verbinden.
Bei Betrachtung der Entstehungs-, Bau- und Nutzungsgeschichte wurde das Kloster als funktionale und wirtschaftliche Anlage entwickelt, welche autark betrieben werden konnte. Die interne Organisation spiegelt sich in der Anordnung der Nutzungseinheiten in den Grundrissen und deren Erschließung bis hin zur Kubatur und Fassadengestaltung des Bauwerks wider. Widersprüchlich ist die Simultaneität der stilistischen, historisierenden Gestaltung in neobarockem Formenrepertoire gegenüber der zeitgeschichtlich gesehen sehr modernen Organisation der Architektur. Als Grund für diese Gleichzeitigkeit kann das Eingreifen in Entwurf und Gestaltung des Architekten Adolf Graf aus Aachern durch Prof. Josef Graf aus Karlsruhe angeführt werden, welcher nach Zweifeln an der Gestaltung und Organisation der Klosterplanung durch das Bauamt in Karlsruhe hinzugezogen wurde.
Die verwobene Gestaltung zweier Stilhaltungen in der Architektur des Klosters Erlenbad kann als immaterieller Wert der Gestaltungsgeschichte des Bauwerks verstanden werden, stellt es doch deutlich den Wandel der Zeitgeschichte im Diskurs zwischen Späthistorismus und dem Progress der Moderne dar.
Vorentwurf mit barock überladener Gestaltung der Fassaden.
(Quelle: Planarchiv des Ordens der Franziskanerinnen Erlenbad)
Entwurf nach Korrektur in Zusammenarbeit mit Prof. Graf aus Karlsruhe.
(Quelle: Planarchiv des Ordens der Franziskanerinnen Erlenbad)